Der Wärme-/Energiesektor

Wärme wird zum heißen Eisen

Von Michael Gneuss · 2015

Im Immobiliensektor schlummern noch immense Potenziale für weitere Energieeinsparungen. Bessere Dämmungen, moderne Heiztechnik und Dienstleistungen können den Verbrauch erheblich senken. Doch im Bestand wird noch sehr zögerlich investiert. Die Klimaschutzziele erfordern höhere Anstrengungen.

Die Sonne geht über einer verschneiten Winterlandschaft auf. Symbolbild Wärmesektor

Die Tendenz ist ermutigend: Im vergangenen Jahr sank der Primär­energieverbrauch in Deutschland um knapp fünf Prozent. Und dabei werden Strom, Wärme und Kraftstoff zu einem immer höheren Anteil aus erneuerbaren Energien erzeugt – von 10,5 stieg er 2014 auf 11,1 Prozent. Soweit die Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Sie sind ein klares Indiz für das hohe Tempo, das Deutschland bei der Energiewende vorgelegt hat. Und das gilt nicht zuletzt deshalb, weil ein weiterer Meilenstein genommen wurde: Erstmals liegen die Erneuerbaren bei der Bruttostromerzeugung mit 25,8 Prozent vorn und haben damit nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes die Braunkohle (24,9 Prozent) knapp überholt. Drittgrößte Stromquelle ist Steinkohle (18,9 Prozent), Kernenergie belegt Platz vier (15,5 Prozent). Doch mit dem grünen Strom allein kann Deutschland die Klimaziele nicht erreichen. Einen enormen Faktor im Energieverbrauch stellt der Immobiliensektor dar. Nicht weniger als rund 40 Prozent des Energieverbrauchs entfallen auf den Gebäudebestand. Und hier wiederum gehen 85 Prozent des Bedarfs auf das Konto von Heizwärme, während der Strombereich lediglich 15 Prozent ausmacht.

Wärmesektor im Fokus

Genau hier setzen auch die energetischen und umweltpolitischen Pläne der Bundesregierung an. Bis 2020 will Berlin im Wärmesektor gegenüber 2008 jährlich etwa 93 Millionen Tonnen CO² einsparen. Allein auf die privaten Haushalte sollen dabei etwa 45,5 Millionen Tonnen CO² entfallen, die restlichen 47,5 Millionen Tonnen CO² auf Prozesswärme, die für industrielle und gewerbliche Zwecke genutzt wird. Gleichzeitig ist geplant, den Anteil der Erneuerbaren an der gesamten Wärmeversorgung in Deutschland bis 2020 auf 14 Prozent zu erhöhen. Last but not least soll bis 2020 der Wärmebedarf des Gebäudebestandes gegenüber 2008 um 20 Prozent reduziert werden. Bis 2050 wird sogar ein klimaneutraler Gebäudebestand angestrebt. Das sind ehrgeizige Pläne, aus denen nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wirtschaft gigantische Herausforderungen resultieren. Doch zu erreichen sind die Ziele nur, wenn an allen Hebeln gezogen wird. Bislang wurde Energie allerdings viel zu oft mit Strom gleichgesetzt und die Energiewende war für viele somit eher eine Stromwende. Ob nun tatsächlich auch der Wärmebereich konsequent in den Fokus einer Klimapolitik gesetzt wird, bezweifeln viele. In der Politik bremst nach wie vor die Sorge vor steigenden Heizkosten den Elan zur Modernisierung der Wärmeversorgung.

Zentral oder dezentral?

Dabei geht es grundsätzlich um die gleiche Struktur-Diskussion, die aus der Stromversorgung schon bestens bekannt ist. Wie lässt sich eine nachhaltige Steigerung der Energieeffizienz besser erreichen – in zentralen oder dezentralen Strukturen? Beide Seiten haben Argumente auf ihrer Seite. Allgemein galt die dezentrale Versorgungsstruktur als Basis der Energiewende.

Doch das wollen die Befürworter von Großkraftwerken heute so nicht mehr stehen lassen. Da Strom und Wärme aus Effizienzgründen am besten in Heizkraftwerken zusammen erzeugt werden, hat die Diskussion in beiden Sektoren ihre Aktualität. Nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung werden Wirkungsgrade von bis zu 90 Prozent erzielt. Das gilt grundsätzlich gleichermaßen für große zentrale Heizkraftwerke und Fernwärmenetze auf der einen und kleine dezentrale Anlagen auf der anderen Seite. Während einmal durch die Verkürzung der Übertragungswege Verluste beim Transport minimiert werden, winken anderenfalls geringere Investitions- und Wartungskosten und etwas höhere Wirkungsgrade. Voll entbrannt ist diese Diskussion erneut rund um die aktuelle Reform des Kraft-Wärmekopplungs-Gesetzes. Wärme wird hier zum heißen Eisen für die Politik.

Standards zum Energiesparen

Von großer Bedeutung für die weiteren Einspar-Erfolge im Wärmesektor bleibt darüber hinaus die energetische Optimierung der Gebäude selbst. Um dies zu erreichen, setzt die Bundesregierung mit der Energieeinsparverordnung (Enev) Standards zum Energiesparen, die kontinuierlich aktualisiert werden. Das Gesetz gilt für alle Gebäude, die beheizt oder klimatisiert werden und legt die Anforderungen an den Wärmedämm-Standard und die Anlagentechnik fest. Dabei ist nicht nur entscheidend, wie viel Energie ins Haus geliefert, sondern auch welcher Energieträger verwendet wird. Regenerative Energien wirken sich auf die Bilanz positiver aus als Öl, Gas oder Strom. Bei der Ermittlung der Energiebilanz werden neben der Raumheizung und -kühlung auch Warmwasserbereitung und Lüftungsanlagen berücksichtigt. Es zählt auch die Energie, die für den Betrieb von Pumpen, Brennern und Reglern gebraucht wird.

Ab Januar 2016 gelten für Neubauten verschärfte Bedingungen. So muss ein Haus, das 2016 errichtet wird, 25 Prozent weniger Primärenergie verbrauchen als ein Haus, das nach den 2015 gültigen Mindestwerten gebaut wird. Zudem steigen die Anforderungen an die Dämmung. So soll der Wärmebedarf noch einmal um 20 Prozent gesenkt werden. Mit anderen Worten: Die technischen Anforderungen an Heizungen steigen, die verlangte Dämmung wird dicker. Wesentlich für die künftige Energie-und Wärmebilanz ist aber auch die energetische Modernisierung bei Bestandsimmobilien. Immerhin lag der Bestand 2013 bei knapp 40 Millionen Wohnungen. Geht es um die energetische Sanierung, liegt der Fokus nach wie vor auf der Optimierung der Gebäudehülle. Hier schrecken aber immer noch viele Eigentümer vor der Höhe der Investitionserfordernisse zurück. Auch amortisieren sich die Investitionen oft erst nach Jahrzehnten.

Fortschritt im Heizungskeller

Viele Experten sehen deshalb eine effizientere Maßnahme in der Auflösung des Modernisierungsstaus im Heizungskeller. Laut Schätzungen des Bundesindustrieverbandes Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) sind 75 Prozent der rund 20,2 Millionen Heizungsanlagen in Deutschland in ihrer Effizienz unzureichend. Etwa nur jeder vierte Heizkessel entspricht demnach dem aktuellen Stand der Technik. Damit gehen unnötig hohe Emissionen einher. Bislang werden aber nur etwa drei Prozent der Altgeräte pro Jahr erneuert – und das, obwohl nach Erkenntnissen der Deutschen Energieagentur (DenA) moderne Brennwertkessel bis zu 40 Prozent weniger Brennstoff verbrauchen.

Eines ist indes klar: Ob Wohngebäude, Gewerbeimmobilie oder öffentliche Einrichtungen – Einsparungen und Effizienzmaßnahmen muss es überall geben, sollen die Klimaziele der Bundesregierung nicht im Reich der Utopie verbleiben. Das bedeutet aber nicht, dass die Immobilieneigentümer alles allein machen müssen. So kann für viele Haus- und Wohneigentümer, die die Kosten einer aufwendigen Sanierung scheuen, das Energiecontracting eine sinnvolle Alternative sein. Dabei werden die Aufgaben der Energieversorgung mit allen Investitionen und Effizienzmaßnahmen an einen darauf spezialisierten Dienstleister übertragen.

Nicht übertragen lässt sich allerdings der Energiesparwille jedes einzelnen Bürgers. Und dieser Wille ist offenbar bei den Deutschen sehr stark ausgeprägt. So erklärten im September 2013 in einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentrale 82 Prozent der Bürger, sie fänden die Ziele der Energiewende „völlig richtig“ oder „eher richtig“. Kein Wunder, dass sich Energielabels, die den Energieverbrauchswert sowie die umweltgerechte Gestaltung etwa von Hausgeräten angeben, großer Beliebtheit erfreuen. Die Hersteller haben erkannt, dass Sparsamkeit beim Stromverbrauch für die Kunden zu den entscheidenden Kriterien beim Kauf gehört. Und so entscheidet der Kunde aktiv über Energieeffizienz und Umweltschutz mit: In den letzten zehn Jahren hat sich der Stromverbrauch bei neuen Geräten der weißen Ware mehr als halbiert.

 Grafik zum Endenergieverbrauch aus erneuerbaren Energien. Quelle: BMWI, 2015
Quelle: BMWI, 2015
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