Alternativenergien

Alle an einem Strang

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2024

Die Energiewende schreitet voran. Vor allem im Stromerzeugungssektor rücken die Ziele der Energiewende in greifbare Nähe. Jetzt müssen aber noch einmal alle Akteure kräftig anpacken, soll das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, wirklich erreicht werden. Das könnte sich langfristig auch ökonomisch lohnen.

Windrader sieht man auf einer Brücke, unten sind Solaranlagen platziert.
Sonne, Wind, Wasserkraft – die Energieversorgung wird grün. Foto: iStock / bombermoon

Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet kontinuierlich voran. So ist der Anteil an Strom aus Sonne, Wind, Biogas und Wasserkraft am gesamten Bruttostromverbrauch im vergangenen Jahr erstmals über die 50-Prozent-Marke gesprungen. Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zufolge haben die Erneuerbaren im Jahr 2023 knapp 52 Prozent des Bruttostromverbrauchs gedeckt – fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahreszeitraum. Somit wurden 267 Milliarden Kilowattstunden aus regenerativen Quellen erzeugt.

„Die Zahlen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Einst hätten viele den Erneuerbaren nur einen einstelligen Anteil am Stromverbrauch zugetraut, heute würde nun schon mehr Strom aus erneuerbaren als aus konventionellen Quellen erzeugt. Und das Ziel „100 Prozent Erneuerbare“ habe man fest im Blick. „Der Weg zu einer vollständig klimaneutralen Stromversorgung war und ist aber kein Selbstläufer“, sagt Andreae. Die vollständige Versorgung mit Strom aus Erneuerbaren ist eine Gemeinschaftsaufgabe, für die alle gefordert sind: Regierung, Kommunen, Energieunternehmen, Wirtschaftsunternehmen und der Verbraucher, der aber vielfach in die Rolle des Prosumers hineinwächst, also als Verbraucher und Produzent gleichzeitig agiert, weil er selbst auch regenerative Energie erzeugt. 

Alternativenergien: Unzufrieden mit den Institutionen

Einer Umfrage des EU-Projekts „EnergyPROSPECTS“ zufolge, die von 2021 bis 2024 mit 10.000 Personen in 19 europäischen Ländern durchgeführt wurde, beziehen 45,1 Prozent der Befragten in Deutschland bereits Ökostrom. Europaweit sind es nur 31,6 Prozent. Dass unter den deutschen Befragten der Anteil derjenigen, die Ökostrom beziehen, höher sei als im europäischen Durchschnitt, erklärt sich aus der längeren Tradition für die grüne Energie und einer höheren Akzeptanz dafür hierzulande, erklärt Martina Schäfer, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Zentrums Technik und Gesellschaft (ZTG) der TU Berlin und Leiterin des „EnergyPROSPECTS“-Projekts am ZTG. Dass die Energiewende Aufgabe aller sei, meinen 70 Prozent. Jedoch sind 43 Prozent der Meinung, dass die Energiewende zu langsam vorangeht. Zudem seien die Befragten sehr unzufrieden mit der Arbeit der verantwortlichen Institutionen auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene, sowohl mit Behörden als auch mit Energieversorgern und den wirtschaftlichen Akteuren, berichtet Ariane Debourdeau, die am ZTG in dem Projekt forscht. Nur die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen und der Wissenschaft werden positiver eingeschätzt. „Der Politik sollte es zu denken geben, dass über zwei Drittel der Meinung sind, dass die Ansichten und Ideen von Bürgern und Bürgerinnen nicht ernst genommen werden“, ergänzt die Forscherin.

Energiewende auch ökonomisch sinnvoll

Während Unternehmen und Verbraucher schon heute unter hohen Energiepreisen leiden, weisen Studien darauf hin, dass es langfristig ökonomisch lohnenswert sein kann, die Energiewende möglichst intensiv voranzutreiben und den Energiebedarf zeitnah so weit wie möglich aus erneuerbaren Quellen zu decken – und zwar nicht nur im Bereich Strom, sondern auch in den Sektoren Wärme, Gebäude, Industrie und Verkehr. Gerade Letztere hinken derzeit in Sachen Energiewende hinterher. Immerhin wird der Einbau klimafreundlicher Wärmepumpen anstelle von Öl- und Gasheizungen nun gefördert. Die E-Auto-Förderung ist aber Ende vergangenen Jahres gestrichen worden.

Berechnungen einer Studie der Beratungsfirma PwC zeigen nun, dass die deutsche Volkswirtschaft langfristig günstiger wegkomme, wenn Deutschland es tatsächlich wie angestrebt schaffe, bis 2045 klimaneutral zu werden. Für die Studie verglichen die Autoren ein sogenanntes Weiter-wie-bisher-Szenario mit einem beschleunigten Energiewende-Szenario, wobei sie sowohl Investitions- als auch Energiekosten einbezogen und neben der Energiewirtschaft selbst auch alle Sektoren berücksichtigten, in denen Energie verbraucht wird. Im Weiter-wie-bisher-Szenario gehen die Forschenden davon aus, dass die erneuerbaren Energien im gleichen Tempo ausgebaut und Strom- und Wärmenetze umgerüstet werden wie bisher geplant. Das würde dazu führen, dass Deutschland es nicht schafft, wie gesetzlich verankert bis 2045 klimaneutral zu werden. Im beschleunigten Energiewende-Szenario investiert Deutschland mehr und schneller in die Energiewende als bisher, sodass das Ziel bis 2045 erreicht wird.

Strom- und Wärmenetze werden dabei schneller umgerüstet. Ergebnis: Die volkswirtschaftlichen Vorteile durch einen beschleunigten Klimaschutz in Deutschland steigen von Jahr zu Jahr an. Bereits im Jahr 2045 lassen sich die jährlichen Kosten in diesem Szenario um zehn Milliarden Euro reduzieren, also auf 450 Milliarden Euro von 460 Milliarden Euro bei einem „Weiter wie bisher“. Damit ist klar: „Beschleunigte Investitionen in die Energiewende lohnen sich – auch ökonomisch“, heißt es in der Studie.

Vor allem langfristig sei das beschleunigte Szenario deutlich kostengünstiger, weil mit Erreichen der Klimaneutralität nach 2045 keine Investitionskosten in diesem Feld mehr notwendig seien. Außerdem würden die Einsparungen bei den Energiekosten größer, weil etwa weniger Geld für die Bepreisung von CO₂ anfalle und die Energieeffizienz zunehme. „Die Investitionskosten im Rahmen der Energiewende sind ein bedeutender Kostentreiber, aber die Energiekosten dürfen hier nicht übersehen werden“, sagte Nicolas Deutsch von PwC Deutschland. Das Vorziehen von Investitionen werde in der Zukunft schnell durch niedrigere Energiekosten überkompensiert. „Nicht nur der Klimaschutz, sondern auch die Volkswirtschaft profitiert durch geringere Belastungen.“

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