Energieversorger

Volksversorger und Klimaretter

Von Michael Gneuss · 2020

Würfel, auf denen CO2 steht, werden so gedreht, dass H2 entsteht
H2 statt CO2: Wasserstoff ist der neue Hoffnungsträger. Foto: iStock / Fokusiert

Die Energiewende hat Energiewirtschaft bereits radikal verändert. Auf dem Weg in eine klimaneutrale Versorgung sind wichtige Schritte gelungen – so zum Beispiel der stark gestiegene Anteil von Wind und Sonne an der Stromerzeugung. Doch um die Klimaziele zu erreichen, stehen weitere große Herausforderungen an. Dabei gerät auch die Versorgungssicherheit wieder stärker in den Blickpunkt.

Die Energiewirtschaft gehörte sicherlich nicht zu den besonders stark betroffenen Branchen der Corona-Pandemie. Versorger sind schließlich systemrelevant, Strom wird immer benötigt. Aber natürlich hat auch die Energiewirtschaft das Virus zu spüren bekommen. Die Auswirkungen gehen deutlich über die vermehrte Arbeit in Homeoffices hinaus. So hat der Konjunktureinbruch auch den Energieverbrauch in der Industrie spürbar verringert. Preise, insbesondere für Öl, gingen auf Talfahrt. Einige Kunden konnten die Rechnungen der Versorger nicht mehr bezahlen. 

Was heißt das für den Klimaschutz? Die Freude über gesunkene CO2-Emissionen in den Lockdown-Wochen könnte schnell wieder getrübt sein, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Stattdessen ist zu befürchten, dass die dringend benötigten Investitionen in die Energiewende sinken. Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet ein Minus von zehn Prozent bei den Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien. Im aktuellen Weltenergiebericht erklärt die IEA aber, dass der erneuerbare Strom die einzige Energiequelle sein wird, die solch heftigen Krisen wie der Pandemie künftig standhalten kann. Der noch immer fossil orientierte Teil der Energiewirtschaft müsse daher umdenken, rät die IEA. Für den Klimaschutz ist konsequentes Umdenken essenziell. Eine steigende Weltbevölkerung wird immer mehr Energie verbrauchen. Vor der Corona-Krise zeigte sich das auch in den Zahlen. Der jährlichen Analyse des Mineralölkonzerns BP zufolge stieg der Verbrauch 2018 um 2,9 Prozent, während er in den zehn Jahren zuvor durchschnittlich nur um 1,5 Prozent zunahm. 

50 Prozent EE-Strom im ersten Halbjahr

Umso wichtiger ist es, in Deutschland und Europa aufzuzeigen, wie die Energiezukunft aussehen kann. Hierzulande war es wiederum die Corona-Krise, die zu einem starken Signal verhalf. Im ersten Halbjahr stieg der Anteil von Wind und Sonne an der Stromerzeugung erstmals auf über 50 Prozent, wobei der pandemiebedingt gesunkene Stromabsatz einer der Faktoren für das Überschreiten der Marke war. 

Wolken bilden den Schriftzug CO2 über einer grünen Wiese
Die Reduktion der CO2-Emissionen ist eines der großen Ziele der Energiewirtschaft. Foto: iStock / TeamDAF

Der Ausbau der Erneuerbaren gehört auch weiterhin zu den tragenden Säulen der Energiewende. Aber es geht längst nicht mehr nur um neue Windräder und Solarmodule. Je stärker der Anteil der volatilen Energien an der Stromerzeugung steigt, desto mehr richten sich die Blicke auch wieder auf die Versorgungssicherheit. Neben dem Zubau von EE-Anlagen werden Speicher für den grünen Strom immer wichtiger. Auch der Einsatz von intelligenten Technologien zur Steuerung von Erzeugung und Verbrauch muss forciert werden. Kurzum: Wir brauchen Investitionen in innovative neue Technologien. 

Energieversorgung: H2 macht Hoffnung

Dabei will der Weg in die Energiezukunft wohlüberlegt sein, denn die Investitionen in eine neue, umweltgerechte Energieversorgung wird gewaltige finanzielle Mittel verschlingen. Ein falscher Entwicklungspfad würde die Volkswirtschaft teuer zu stehen kommen. Ein milliardenschweres Bekenntnis gab es zuletzt sowohl in Brüssel als auch in Berlin für die Wasserstoffproduktion. Bis 2050 will die EU-Kommission bis zu 470 Milliarden Euro in ihr Wasserstoff-Konzept fließen lassen. Auch die Bundesregierung hat ehrgeizige Pläne formuliert. Sie will Deutschland nicht nur zum weltweiten Ausrüster von Wasserstoff-Technologien werden lassen, sondern auch hierzulande die Produktion von Wasserstoff im industriellen Maßstab etablieren. Bis 2030 sollen Anlagen zur Herstellung von fünf Gigawatt Gesamtleistung entstehen. 

Um Wasserstoff (H2) in reiner Form zu gewinnen, muss viel Energie eingesetzt werden. Daher bietet es sich an, vor allem die Erzeugungsspitzen aus der Wind- und Solarkraft-Produktion dafür zu nutzen. Wird der Wasserstoff auf diese Weise gewonnen, spricht man vom grünen Wasserstoff. Wasserstoff-Produktion ist daher auch eine Möglichkeit, grünen Strom zu speichern. Dafür muss nicht zwangsläufig neue Infrastruktur entstehen, denn das bestehende Netz der Erdgasversorgung kann dafür genutzt werden. H2 kann auch die Verkehrswende voranbringen, wenn er in Brennstoffzellen zum Einsatz kommt. So können Nutzfahrzeuge und Busse grün werden. Noch sind allerdings Brückentechnologien unverzichtbare Helfer auf dem Weg in die Energiezukunft. Dabei spielt Erdgas eine große Rolle. Dass es mit Wasserstoff in derselben Infrastruktur genutzt werden kann, macht es noch interessanter. 

Effizienz durch Sektorkopplung

In längerfristigen Visionen wird die Energieversorgung indes ganz ohne fossile Energieträger gedacht. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) setzt dabei auf diverse Speicheroptionen, mit denen große Mengen Strom flexibel und dezentral bereitgehalten werden können. Außerdem sieht die Branche eine zunehmende Bedeutung für die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Die Sektorkopplung ist schon heute das Ziel, wenn im Quartiersmaßstab geplant und gebaut wird. Mit ihr geraten die Wärme- sowie die Verkehrswende – beide bislang stark vernachlässigt – stärker in den Blickpunkt. Der Zusammenschluss der Sektoren Strom, Wärme sowie Verkehr sollen ein effizienteres Gesamtsystem zur Folge haben – zum Beispiel indem weniger ungenutzte Abwärme produziert und Strom – zum Beispiel in Autobatterien – effizienter gespeichert werden kann. Ebenso werde in Zukunft auch die Verbraucherseite über das sogenannte Demand Side Management, also die Laststeuerung, stärker als bisher Rücksicht auf die Energieerzeugung nehmen müssen, heißt es beim BEE. Die Versorgung wird zudem überwiegend als dezentrales System ausgerichtet sein. 

Die meisten Energiesystemmodelle prognostizieren einen kostenoptimalen Korridor für ein CO2-freies Energiesystem bereits für das Jahr 2040. Allerdings sind diese Berechnungen noch mit einer Fülle von Unsicherheiten behaftet, wie zum Beispiel der Entwicklung der Batteriepreise oder den Fortschritten in der Wasserstoffgewinnung und Rückverstromung. Tendenziell gilt also: Je mehr Innovation, desto schneller werden wir klimaneutral.

Quellen:
https://rp-online.de/politik/deutschland/das-ist-der-neue-wasserstoff-beauftragte-der-bundesregierung_aid-51738577
www.futurezone.at/science/warum-sektorkopplung-die-grosse-hoffnung-der-energiewende-ist/400766319

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