Netzstabilität

„Die Versorgungssicherheit ist sehr hoch“

Von Katharina Lehmann · 2020

Der radikale Umbau der Energieerzeugung stellt die Versorgungssicherheit auf die Probe. Grund zur Sorge gebe es aber nicht, sagt Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE und Professor für Solare Energiesysteme am Institut für Nachhaltige Technische Systeme der Technischen Fakultät der Universität Freiburg. Doch damit es so bleibt, braucht es eine klare Strategie.

Hochspannungsleitungen im Sonnenaufgang. Thema: Netzstabilität
Foto: iStock/Yelantsevv

Wie sicher ist unser Energiesystem?

In Deutschland ist die Versorgungssicherheit sehr hoch. So meldet die Bundesnetzagentur für 2018 einen SAIDI – das steht für System Average Interruption Duration Index, also die ungeplante Unterbrechung im Netz – von 13,91 Minuten. Im internationalen Vergleich nehmen wir damit einen Spitzenplatz ein. Auch für die nächsten Jahre – bis Mitte der Zwanzigerjahre – mache ich mir keine Sorgen. 

Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE und Professor für Solare Energiesysteme an der Technischen Fakultät der Universität Freiburg
Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE und Professor für Solare Energiesysteme an der Technischen Fakultät der Universität Freiburg

Bis 2025 ist es aber nicht mehr lange. Was passiert danach?

Es wird in Deutschland viel getan, damit die Versorgungssicherheit hoch bleibt. Wir brauchen aber noch klarere Strategien, die uns den Weg in die Zukunft zeigen. Wichtig sind vor allem Investitionen ins Netz und in Techniken zur Lastverschiebung und Speicher für den Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch im Tagesverlauf. Das derzeit größte Problem ist der Nord-Süd-Flaschenhals. Die großen Windstromkapazitäten im Norden können nicht in den verbrauchsstarken Süden weitergeleitet werden. Wir sollten zudem möglichst viel Erneuerbare Energie vor Ort erzeugen, zum Beispiel indem wir mehr Photovoltaik in süddeutsche Städte bringen, hier gibt es riesiges Flächenpotenzial. 

Können Erneuerbare Energien die Kernkraft- und Kohlekraftwerke kompensieren, die stillgelegt werden?

Was die Strommengen betrifft ja. Aber auch langfristig werden wir eine regelbare Erzeugung in Ergänzung zu den fluktuierenden Erneuerbaren Energien benötigen. Flexible Gaskraftwerke, aber auch KWK-Anlagen, die zeitweise stromgeführt betrieben werden, sind hier eine gute Option, da sie langfristig mit Wasserstoff oder anderen Brennstoffen betrieben werden können, die aus erneuerbarem Strom hergestellt werden. Aktuell werden zum Beispiel zwei Gaskraftwerke in Süddeutschland gebaut. Kohlekraftwerke bleiben als Reserve für Extremsituationen bestehen. Voraussetzung für eine stabile Versorgung ist jedoch ein starker Ausbau der Erneuerbaren Energien. Hier sind die Zubau-Ziele der Bundesregierung bis 2030 viel zu niedrig angesetzt, um die eigenen Ziele eines Anteils von 65 Prozent Stromerzeugung aus Erneuerbaren zu erreichen. 

Sprechen nicht die zunehmenden Eingriffe ins Stromnetz für die Anfälligkeit der Versorgung?

Die Anfälligkeit ist in gewisser Hinsicht tatsächlich anhand der Netzeingriffe messbar und deren Zahl hat in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Das liegt daran, dass es durch die Erneuerbaren Energien eine hohe Dynamik im Stromnetz gibt, es steht aber auch in direktem Zusammenhang mit dem stockenden Netzausbau. Es gab in den vergangenen Jahren dennoch keine wirklich kritische Situation aus technischen Gründen, eher aufgrund des Marktgeschehens. So stellt die Entflechtung von Netzbetrieb und Energiemarkt eine große Herausforderung an Regulierung und Energiemarktdesign dar. Neue Systemdienstleistungen für den Netzbetrieb sind unerlässlich, um „freien“ Markt im limitierten Netz ohne Einschränkung der Versorgungssicherheit zu ermöglichen.

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