So steht es um die Energiewende

„Wir dürfen die Technologien nicht gegeneinander ausspielen

Von Katharina Lehmann · 2018

Eine umfassende Energiewende braucht das Zusammenspiel verschiedener Technologien – sowohl im Strom-, als auch im Wärme- und Verkehrssektor, weiß Christian Doetsch, Professor im Fachbereich Maschinenbau an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Bereichs Energie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht).

Christian Doetsch im Gespräch zum aktuellen Stand der Energiewende
Christian Doetsch

Wie ist es denn heute um die Energiewende bestellt?

Bisher müssen wir eher von einer Strom- als von einer echten Energiewende sprechen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist auf dem Vormarsch, beim Netzausbau hakt es jedoch noch. Was wir bisher vernachlässigt haben, sind der Wärme- und der Verkehrssektor. Da müssen wir dringend etwas tun.

Die Elektroautos kommen jedoch nicht gut an; E-Fuels lassen auf sich warten.

Die in Deutschland angebotenen E-Autos sind bisher nicht als reine ‚Stromer‘ konzipiert – oft handelt es sich um die herkömmlichen ‚Verbrenner‘-Modelle, denen Akku und Elektromotor eingepflanzt wurden.

Wir dürfen nicht alles auf das Netz abwälzen.

Das funktioniert nicht, da die Vorteile des elektrischen Antriebs so zu wenig nutzbar sind. Außerdem müssen wir unterscheiden zwischen der privaten Mobilität, bei der E-Autos, wie sie heute schon in China oder den USA produziert werden, sinnvoll sind, und dem Langstrecken- beziehungsweise Schwerlastverkehr. 

Da kommen dann E-Fuels zum Einsatz?

Zum Beispiel. Auf der Langstrecke kann auch ein Range Extender, der regenerativ erzeugten Wasserstoff oder Methanol nutzt, gut eingesetzt werden. Synthetische Kraftstoffe aus biogener Produktion oder elektrochemischer Herstellung eignen sich dagegen vor allem im Schwerlastverkehr. Flugzeuge und Schiffe brauchen auch in Zukunft flüssige Treibstoffe – da sind die E-Fuels eine aussichtsreiche Alternative. Wichtig ist: Wir dürfen die verschiedenen Technologien nicht gegeneinander ausspielen, sondern müssen sie sinnvoll miteinander verknüpfen.

Gilt das auch für die anderen Sektoren?

Auf jeden Fall. Auch im Wärmesektor können wir die Erneuerbaren Energien nutzen, um ‚saubere‘ Wärme herzustellen – entweder, indem wir in modernen Wohnhäusern Niedertemperaturwärme mittels Wärmepumpe und regenerativem Strom bereitstellen oder mittels elektrischen Direktheizsystemen wie Elektrodenkesseln für Prozesswärme oder Fernwärme sorgen. Langfristig können wir Strom in Gas umwandeln und so die Energie saisonal zwischenspeichern. Das ist aber noch recht teuer und aufwendig. 

Lieber also den Strom direkt verbrauchen?

Wenn das immer so einfach wäre. Der Strom aus erneuerbaren Quellen entsteht ja nicht nur dann, wann er auch gebraucht wird. Da brauchen wir Speicher – neben zentralen Pumpspeichern am besten Quartiersspeicher in der Siedlung. Die sind heute aufgrund der rechtlichen Regularien und damit verbundenen Kosten kaum wirtschaftlich umsetzbar. Doch auch Hausspeicher helfen, die Schwankungen vor Ort auszugleichen. Denn wir dürfen nicht alles auf das Netz abwälzen.

Warum nicht?

Unsere Netze sind so konzipiert, dass sie den Strom aus zentralen Kraftwerken an die verschiedenen Verbraucher verteilen. Sie sind nicht dafür ausgelegt, so große Mengen an Strom aus vielen verschiedenen Quellen bedarfsgerecht zu verteilen. Deshalb müssen die Netzbetreiber auch immer öfter eingreifen, um die Netze stabil zu halten.

Da könnte der Netzausbau Abhilfe schaffen.

Auf jeden Fall. Gut wäre es, wenn wir den Strom verbrauchsnah produzieren. Das funktioniert heute in industriellen Zentren aber nicht mehr. Diese sind im Westen, Südwesten und Süden Deutschlands – die Masse an Windstrom kommt aus Norddeutschland. Aus diesem Grund brauchen wir dringend die großen Nord-Süd-Stromverbindungen. Deren Ausbau schreitet zurzeit aber eher langsam voran – auch, weil es immer wieder Initiativen gibt, die sich gegen Stromtrassen richten. Hier müssen wir die Menschen frühzeitig vor Ort einbinden, gemeinsam Lösungen suchen und so Akzeptanz für den Netzausbau schaffen. Denn Strom wird in Zukunft der zentrale Energieträger sein. 

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