Stromgestehungskosten von Erneuerbaren Energien

Hoffnungsträger Wind und Sonne

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2018

Die Preise für Erneuerbare Energien sinken immer weiter und machen Windkraft- und Photovoltaikanlagen immer konkurrenzfähiger gegenüber althergebrachten Kraftwerken. Dennoch gerät die Energiewende ins Stocken, die Klimaziele werden gerissen. Geht der Energiewende die Luft aus?

Windkrafträder auf einer Wiese. Thema: Stromgestehungskosten von Erneuerbaren Energien
Wind- und Sonnenstrom werden immer günstiger.

Zwischen 3,71 und 11,54 Cent kostet eine Kilowattstunde Sonnenstrom derzeit. Windstrom kommt, auf hoher See produziert, auf 7,49 bis 13,79 Cent, an Land hergestellt, gar nur auf 3,99 bis 8,23 Cent. An guten Standorten produzieren Onshore-Windenergie- und Photovoltaikanlagen schon heute zu geringeren Kosten als neue Kohle- oder Gas- und Dampfturbinenkraftwerke. So liegen die Gestehungskosten je Kilowattstunde Strom aus neuerrichteten Braukohlekraftwerken bei 4,59 bis 7,98 Cent, aus Steinkohlekraftwerken bei 6,27 bis 9,86 Cent und aus Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerken bei 7,78 bis 9,96 Cent. Gaskraftwerke sind mit 11,03 bis 21,94 Cent je Kilowattstunde deutlich teurer. Zu diesem Ergebnis kommt die vierte Auflage der Studie „Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien“, die im März diesen Jahres vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) vorgestellt wurde. 

Sonne und Wind werden immer günstiger

Und mehr noch: Die Forscher sind sich sicher, dass sich dieser Trend bis zum Jahr 2035 deutlich verstärken werde. So würden aufgrund technologischer Fortschritte Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Süddeutschland und Onshore-Windenergieanlagen an windreichen Standorten bis 2035 die durchschnittlichen Stromgestehungskosten aller fossilen Kraftwerke deutlich unterbieten. Ab 2030 fallen laut Fraunhofer ISE die Stromgestehungskosten für Photovoltaik-Anlagen unter 4,7 Cent je Kilowattstunde für Aufdachanlagen beziehungsweise auf 2,41 Cent je Kilowattstunde für Freiflächenanlagen. „Die Kostenprognosen der Vorgängerstudien haben sich bestätigt. Die Gestehungskosten für Strom aus Erneuerbaren Energien sinken kontinuierlich und sind kein Hindernis für eine CO₂-freie Stromerzeugung mehr“, kommentiert Studienprojektleiter Christoph Kost die Ergebnisse.

Die immer bessere Wettbewerbsposition der Erneuerbaren Energien führe zu neuen Anwendungen und stark wachsenden Märkten, die nicht mehr auf Förderung angewiesen sind. Die Volllaststunden der konventionellen Kraftwerke sinken durch einen höheren Anteil der Erneuerbaren dagegen weiter, was ihre Kosten in die Höhe treibt. Hinzu kommen steigende Brennstoff- und CO₂-Zertifikatspreise. „Es ist davon auszugehen, dass nicht unbedingt die günstigste konventionelle Erzeugungsform am Markt bestehen wird, um die fluktuierenden Erneuerbaren zu ergänzen, sondern diejenige, die eine hohe Flexibilität in Bezug auf Anfahr- und Abfahrvariabilität aufweisen kann, also vorzugsweise Kraftwerke basierend auf Erdgas“, so Kost weiter. 

 

Quelle: Fraunhofer-Institut, 2018

Deutschland verfehlt Ziele

So rückt das Ziel, den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen, in greifbare Nähe. Im ersten Halbjahr 2018 machten die Erneuerbaren bereits einen Anteil von 38 Prozent aus, hat das Fraunhofer ISE errechnet. Eine Entwicklung, die der Energiewende Auftrieb geben sollte. Jedoch scheint es in letzter Zeit, als geriete das ehrgeizige Projekt ins Stocken. Die Ausbauzahlen, gerade für Windenergie, stagnieren, Ausschreibungen und Planungen für Großprojekte verzögern sich immer wieder. 

Und auch der Ausbau der Stromnetze kommt nicht so voran, wie es sich die Energiewirtschaft wünscht. So mahnt beispielsweise der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) mehr Tempo an, andernfalls würden schon aus diesem Grund die Ziele der Energiewende in Gefahr geraten. Derzeit reicht die Netzinfrastruktur nicht aus, um den Strom aus Nordsee-Windkraftanlagen in ganz Deutschland zu verteilen. Stattdessen verstopft Kohlstrom aus der Mitte Deutschlands die wenigen bestehenden Leitungen. Gegen die Strom-Autobahnen gibt es an vielen Orten Widerstand von Anwohnern, Landwirten und Umweltschützern. „Es geht leider nur im Schneckentempo voran“, sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des BDEW. So seien beispielsweise mit Blick auf das Bundesbedarfsplangesetz von ursprünglich bis Ende 2017 fertigzustellenden 1.435 Kilometern Stromleitungen nach dem ersten Quartal 2018 gerade einmal 150 Kilometer realisiert, kritisiert Kapferer. Die Klimaziele in punkto Treibhausgasemission hat Deutschland für 2020 dagegen schon deutlich verfehlt. Ursprünglich wollte die Regierung die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 senken. Eingespart werden nun aber wohl nur 32 Prozent, heißt es im Klimaschutzbericht. Als Gründe für die Verschlechterung führen die Fachbeamten demnach auch die „unerwartet dynamische Konjunkturentwicklung sowie das unerwartet deutliche Bevölkerungswachstum“ an. Allerdings räume die Bundesregierung ein, dass ihr „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ nicht die erwartete Wirkung erzielt habe. Und auch für 2030 sagt der Klimaschutzbericht eine drastische Zielverfehlung voraus: Nur 41 bis 46 Prozent statt der mindestens notwendigen 55 Prozent Einsparung im Vergleich zu 1990 werden prognostiziert. Damit reißt die Lücke mit der Zeit nur noch weiter auf.

CO₂-Emissionen im Verkehr steigen

Gründe für das Verfehlen der Ziele sieht das Umweltbundesamt (UBA) vor allem im Verkehrssektor. Hier werden heute mehr Emissionen ausgestoßen als 1990. Während alle anderen Sektoren von 1990 bis 2017 Treibhausgasemissionen eingespart haben, legte der Ausstoß im Verkehr von 163 auf 171 Millionen Tonnen zu – vor allem weil immer mehr Güter auf der Straße transportiert werden und viele große und schwere Autos gekauft werden, die mehr CO₂ als Kleinwagen verbrauchen. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger mahnte erneut ein Umsteuern an. Die Autos müssten sparsamer werden, sagte sie. Zudem forderte sie eine Quote für Elektroautos. Die solle helfen, mehr Stromer auf die deutschen Straßen zu bringen. Denn auch hier wird das Ziel, eine Million E-Autos bis 2020, wohl deutlich verfehlt werden.

Die größten Emissionseinsparungen gab es 2016 in der Energiewirtschaft – die aber mit 36,5 Prozent weiterhin den Großteil der Emissionen ausmacht. In der Industrie und bei der Wärmeversorgung von Gebäuden sind die CO₂-Emissionen in den vergangenen Jahren nicht signifikant gesunken. Energieeffizienzsteigerungen, energetische Sanierungen und die Einbindung Erneuerbarer Energien kamen in diesen Bereichen zu kurz.

Dabei ist es höchste Zeit zu handeln: Deutschland muss sich schnellstens auf ein Ausstiegsszenario für fossile Energien verständigen – nicht nur, um die zukünftigen Klimaziele zu erreichen. Im Sinne des Pariser Klimaschutzvertrags müssen bis Mitte des Jahrhunderts Volkswirtschaften auf ein Leben ohne Öl, Gas oder Kohle umgestellt werden. Aus heutiger Sicht für viele undenkbar – und doch alternativlos.

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